NACHWUCHSKAMPAGNEN

Mehr als nur Brot backen

von Christian H. Schuster und Janine Engel

(c) istockphoto.com/mingcreativeDer Wettbewerb um die Fachkräfte von morgen hat begonnen. Denn gut ausgebildeter Nachwuchs ist rar in Deutschland, und immer mehr Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Deswegen hoffen nun kleine und mitt­lere Unternehmen darauf, dass Branchenverbände erfolgreich Nachwuchs an Land ziehen. Sechs Verbände waren dabei besonders erfolgreich, da sie sich an die neun Regeln für die Nachwuchswerbung hielten.

Mit zielgruppengerechter Ansprache für Aufmerksamkeit sorgen
Der Grundpfeiler einer erfolgreichen Nachwuchskampagne ist die zielgruppengerechte Ansprache. Denn diejenigen, die allzu sehr auf vermeintlich authentische Jugendsprache setzen und sich anbiedern, werden vom potenziellen Nachwuchs schnell entlarvt. Nicht zu anbiedernd, aber auch nicht zu altbacken – eine gute Kampagne für den Nachwuchs trifft genau den Mittelweg.

Ein bekanntes Positivbeispiel ist die Nachwuchskampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH). Unter dem Titel „Simon: die linke Hand des Handwerks“ nimmt der bei Teenagern bekannte Comedian Simon Gosejohann die Rolle des Laien ein, welcher in verschiedene Handwerksberufe reinschnuppert. In kurzen Videos werden verschiedene Berufe vorgestellt und durch Meister und Gesellen des jeweiligen Fachs deren Besonderheiten erklärt. Der Einsatz eines bei Jugendlichen bekannten Testimonials ist folglich eine sehr gute Möglichkeit, für die nötige Aufmerksamkeit und gleichzeitig für eine hohe Akzeptanz der Kampagne zu sorgen. Die Interviews mit den Handwerkern sorgen dabei für die gebotene Ernsthaftigkeit.

Jugendliche in ihrem alltäglichen Umfeld ansprechen
Mit der richtigen Ansprache des Nachwuchses ist es jedoch längst nicht getan. Die Inhalte einer Kampagne müssen die Jugendlichen auch erreichen. Laut der Studie „Jugend 2.0“ des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) suchen die Digital Natives bevorzugt online nach Informationen für Schule oder Ausbildung. Die Jugendlichen müssen also dort abgeholt werden, wo sie sich bevorzugt aufhalten: im Internet und den sozialen Netzwerken. Ent­sprechend übersichtlich und schnell zugänglich sollten Inhalte aufbereitet sein, damit sie beim potenziellen Nachwuchs Beachtung finden. Interaktivität mit Mehrwert lautet hier also das Zauberwort.

Das Bayerische Handwerk hat das erkannt und gibt deshalb eine praktische Orientierungshilfe: Im Rahmen der neuen Kampagne „Macher gesucht! XTREME“ bietet die Internetseite den Berufe-Checker, einen interaktiven Fragebogen zur Berufswahl. Hier können Jugendliche verschiedene Einstellungen bezüglich ihrer Vorlieben, Talente und Interessen vornehmen. Am Ende werden ihnen mögliche Berufe zur Auswahl gestellt. Zusätzlich haben die Jugendlichen die Möglichkeit, sich im Berufe-Wiki über die jeweiligen Berufe mithilfe von Videos, Unterlagen, Tipps und vielem mehr zu informieren. Eine Hilfestellung, wie sie konkreter kaum sein könnte. „Man muss die Jugendlichen also dort abholen, wo sie sich bevorzugt aufhalten: im Internet und in den sozialen Netzwerken“, weiß auch Heinrich Traublinger, MdL a. D. und Präsident des Bayerischen Handwerkstages e. V. Entsprechend übersichtlich und schnell zugänglich sollten Inhalte aufbereitet sein, damit sie beim potenziellen Nachwuchs Beachtung finden.

Interaktivität mit Mehrwert lautet hier also das Zauberwort. In 2014 setzt das Bayerische Handwerk vor allem auf Bewegtbild in YouTube. In verschiedenen Kurzfilmen werden echte Macher vorgestellt, die ihren Beruf lieben, die gerne tüfteln, verblüffen und sogar Rekorde brechen. Auf diese Weise erhalten die Jugendlichen einen Einblick in die verschiedenen Handwerksberufe und die spannenden Aufgaben, die diese mit sich bringen.

Onlinespiele mit Mehrwert
Die BITKOM-Studie zeigt auch, dass Jugendliche im Internet ihre Freizeit gern mit Onlinespielen verbringen. Etwa die Hälfte der Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren tut dies regelmäßig. Geschickt eingesetzt, können Onlinespiele Nachwuchskampagnen bereichern. Auch hier ist das Bayerische Handwerk als Beispiel zu nennen. Beim Macher Cup im Jahr 2013 konnten Kinder und Jugendliche an einem Onlinespiel teilnehmen. In verschiedenen Stationen wurden handwerkliches Geschick, Wissen und Kreativität getestet. Zum Beispiel musste dem Fliesenlegermeister innerhalb einer vorgegebenen Zeit das richtige Werkzeug angereicht oder in einer Uhrmacherwerkstatt für Ordnung gesorgt werden. So konnten sich die Jugendlichen spielerisch und dennoch auf seriöse Art und Weise über die beruflichen Möglichkeiten im Handwerk informieren.

Karrierewege aufzeigen
Neben der richtigen Ansprache und der Aufbereitung der Inhalte muss eine gute Nachwuchskampagne natürlich auch die Vielfalt eines Berufes kommunizieren. Denn welcher junge Mensch möchte täglich acht Stunden am Stück dasselbe tun? Abwechslung und Spaß im Beruf sind laut der „Ausbildungsstudie 2013“ des Instituts für Demoskopie Allensbach für viele Jugendliche inzwischen bedeutender als das Einkommen. Enorm wichtig ist somit für eine Nachwuchskampagne, auf die Vielfältigkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten eines Berufes hinzuweisen.

So zeigt beispielsweise die Kampagne „Back Dir Deine Zukunft“ der Werbegemeinschaft des deutschen Bäckerhandwerks die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung anhand von Videobeiträgen und Berufssteckbriefen auf. In einem kurzen Video mit dem Titel „Zwischen Schnuller und Statusmeeting“ etwa wird die Erfolgsgeschichte einer Verkaufsleiterin von der Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin bis hin zur Managerin einer eigenen Bäckerei nachgezeichnet und auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingegangen.

In ihrem Statement verdeutlicht die vorgestellte Managerin, dass sie die Ausbildung im Bäckerhandwerk als ihr Sprungbrett für ihre Karriere gesehen habe und stolz auf ihren beruflichen Aufstieg sei. Auf authentische Art und Weise wird Jugendlichen damit gezeigt, dass sie sich auch nach ihrer Ausbildung in ihrem Beruf weiterentwickeln und ihren beruflichen Werdegang selbst gestalten können.

Zukunftsfähigkeit kommunizieren
Doch nicht nur Spaß und die Möglichkeit, Karriere zu machen, sind für den potenziellen Nachwuchs entscheidend. Viele junge Menschen möchten in einer stabilen und zukunftsfähigen Branche beruflich tätig sein, um nicht direkt nach der Ausbildung wieder auf einen anderen Beruf umsatteln zu müssen. Auch das belegt die „Ausbildungsstudie 2013“. Diese berufliche Stabilität sollte eine Nachwuchskampagne transportieren.

Die Nachwuchskampagne „be optician“ („Sei Optiker“) des Südwestdeutschen Augenoptiker-Verbands nennt deshalb auf der eigens geschaffenen Homepage be-optician.de als den besten Grund, Augenoptiker zu werden, den großen Bedarf der Versorgung mit Sehhilfen. In den übersichtlich aufbereiteten FAQs wird die Krisensicherheit des Augenoptiker-Berufs noch verdeutlicht. So würden die Anforderungen an die Augen durch die zunehmende Arbeit am Computer und höhere Ansprüche der Brillenträger weiter steigen und damit auch die Herausforderungen für den Augenoptiker. Die Krisensicherheit dieses Berufs wird damit eindeutig transportiert.

Humor ist das Salz in der Suppe
Bei aller Seriosität, die eine Nachwuchskampagne transportieren sollte, darf der Humor nicht zu kurz kommen. Denn gerade dieser kann für die nötige Aufmerksamkeit bei den jungen Menschen entscheidend sein. Auch hier sticht die Nachwuchskampagne „be optician“ hervor. Die Kampagnenmotive setzen auf einen Überraschungseffekt mit Augenzwinkern. So zeigt beispielsweise ein Kampagnenmotiv ein üppiges Dekolleté, ergänzt durch den Satz: „Beeindrucken Sie doch mit Ihrer Brille, wenn Ihnen mal jemand in die Augen schaut.“ Außerdem versorgt der Facebook-Auftritt der Kampagne die Optiker-Azubis neben aktuellen Stellenanzeigen und Bewerbungstipps mit witzigen Fundstücken aus dem Internet und Wissenswertem zum Thema Brillen.

Versteckte Talente wecken
Bei ihrer Suche nach ihrem zukünftigen Beruf haben viele Jugendliche auch mit Unsicherheiten zu kämpfen. „Schaffe ich das?“ und „Passt dieser Beruf wirklich zu mir?“ sind sicher nur zwei von vielen Fragen, welche die angehenden Azubis beschäftigen. Eine erfolgreiche Nachwuchskampagne stellt also nicht nur den zu erlernenden Beruf selbst, sondern auch die persönlichen Charaktere des potenziellen Nachwuchses heraus.

Darauf geht der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW) in seiner Ausbildungskampagne ein. Unter dem Titel „Du bist mehr Immobilienprofi, als du denkst!“ sollen Unsicherheiten und Vorbehalte gegenüber einer Ausbildung zum/zur Immobilienkaufmann/-frau abgebaut werden. Mittels einer Checkliste können sich die Bewerber selbst abfragen, ob der Beruf für sie geeignet ist. Damit wird dem Nachwuchs eine wichtige Unterstützung bei der Berufswahl an die Hand gegeben.

Konkrete Unterstützung anbieten
Eine erfolgreiche Nachwuchskampagne bietet dem potenziellen Nachwuchs konkrete Unterstützung auf seinem Weg in den Beruf: Wie schreibe ich eine Bewerbung? Wo finde ich einen Betrieb? Wo kann ich ein Praktikum absolvieren? Denkbar sind zum Beispiel Bewerbungstrainer, Vordrucke oder eine Auflistung von Ausbildungsbetrieben in der Nähe. Diesen Punkt geht die Internetpräsenz der Initiative „AutoBerufe – Mach Deinen Weg!“, die gemeinsam von den Mitgliedern des Verbands der Automobilindustrie e. V. (VDA), des Verbands der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sowie des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbe-Zentralverbands (ZDK) seit 30 Jahren umgesetzt wird, gezielt an.

„Die Website autoberufe.de bündelt wichtige Informationen mit konkretem Mehrwert für die zukünftigen Bewerber“, erklärt Claudia Weiler, Pressereferentin beim ZDK. „Jugendliche suchen im Netz nach konkreter Unterstützung beim Berufsstart, die wir ihnen mit unserer Website bieten können.“ Der Erfolg ist messbar: „In den letzten zehn Jahren hat sich die Quote der Berufsabbrecher auf zehn Prozent halbiert“, so Weiler. Überdies haben sich die Ausbildungszahlen durch die Initiative stabilisiert.

Keine falschen Erwartungen wecken
Eine ehrliche Kommunikation ist wichtig, um Ausbildungsabbrüchen vorzubeugen. Die Kampagne muss deshalb ehrlich vermitteln, welche Aufgaben, Schwierigkeiten und Hürden konkret auf den Nachwuchs zukommen können. Unhaltbare Erwartungen sollten im Idealfall erst gar nicht aufkommen. Maurer oder Hufschmied beispielsweise sind zwar abwechslungsreiche und interessante, aber auch harte und anstrengende Jobs. Das sollte in einer verantwortungsvollen Nachwuchskampagne auch so vermittelt werden. Wer wirklich motivierte und talentierte Azubis sucht, muss auch ehrlich mit ihnen sein. Andernfalls werden sie in der täglichen Arbeit sehr bald die Motivation verlieren.


Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe 04/2014, S. 4.

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