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Faktoren für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit einem Abgeordneten

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Politiker sind selbstständig denkende und meist sehr analytische Menschen, die genau abwägen und prüfen, welche Themenpatenschaften sie übernehmen und für welche Standpunkte sie eintreten wollen. Werden seine Entscheidungsparameter beachtet, gelingt es schnell, den Abgeordneten von den Positionen des Verbandes zu überzeugen.

Erwartungen eines Abgeordneten an professionelle Verbandsvertreter
Das Zusammentragen von relevanten Informationen hinsichtlich geplanter oder laufender Gesetzgebungsverfahren ist für Abgeordnete ein sehr zentraler Gegenstand ihrer täglichen Arbeit. Daher sind sie auf die Informationen angewiesen, die von außen an sie herangetragen werden. Politische Entscheidungsträger nehmen dabei nicht ungefiltert (wie angesprochen – hier greift der Gatekeeper ein) sämtliche Informationen auf, die sie bekommen. Zudem haben sie klare Erwartungshaltungen an professionelle Zuarbeit durch Verbandsvertreter.

Prinzipiell wird vorausgesetzt, dass der Gesprächspartner Kenntnis darüber besitzt, welche Zuständigkeiten und welche Handlungsspielräume der Abgeordnete hat. Auch die Prozesse und die Abläufe, denen der jeweilige Abgeordnete unterworfen ist, müssen den Interessenvertretern unbedingt bekannt sein. Der Abgeordnete erwartet zudem, dass der jeweilige Informationsgeber in seinem Fach über genaue Kenntnisse des Sachverhalts und seiner Zusammenhänge verfügt und diese mit Zahlen, Fakten und Hintergründen präzise belegen kann.

Abgeordnete setzen voraus, dass eine klare Einschätzung von möglichen Auswirkungen auf ehrlichen und emotionslosen Informationen beruht. Darüber hinaus erwartet der Parlamentarier, dass der Verbandsvertreter seine Interessen auch politisch einordnen und ihm idealerweise Argumentationsbausteine für die mediale und politische Debatte liefern kann, die nicht auf Anhieb einem Verbandsvertreter zugeordnet werden können. Für den Abgeordneten ist deshalb die vollkommene Offenlegung aller Auftraggeber, Intentionen und Ziele seines Gegenübers selbstverständlich.

1. Grundvoraussetzung: Positivität
„Was habe ich davon?“ Diese Frage wird sich der Abgeordnete stellen, den die Ansprache eines Verbandsvertreters erreicht. Er wird über das Anliegen nachdenken, sofern er darin etwas Positives erkennen kann – und zwar vor allem für sich. Aber Achtung, positiv ist nicht gleich positiv. Hier gilt es vor allem, im Sinne der bisherigen Handlungen des anzusprechenden Abgeordneten sowie der entsprechenden Parteiwerte zu denken.

2. Bezug zum Wahlkreis
Sind Unternehmen und/oder Personen aus dem Wahlkreis des Abgeordneten betroffen? Kann diese Frage mit Ja beantwortet werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, den Abgeordneten für das eigene Anliegen zu gewinnen. Idealerweise lassen sich die Folgen und Auswirkungen genau beziffern oder mit konkreten Schicksalen belegen.

3. Leicht verdaulich
Trockene, langweilige und unlösbare Probleme interessieren selten einen Abgeordneten. Um den Erfolg einer Ansprache zu erhöhen, sollte das eigene Anliegen das „gewisse Etwas“ besitzen, und das muss sofort erkennbar sein. Verbandsvertreter sind absolute Experten in ihren Themengebieten. Dem Fachpolitiker werden sich Fachbegriffe, Zahlen, Fakten und Hintergründe nicht sofort erschließen. Um ihn für die entsprechende Thematik zu interessieren, empfiehlt es sich, das Anliegen möglichst leicht verständlich und transportierbar darzustellen. Es gilt, auf Sprache und Formulierungen zu achten.

4. Die Dramaturgie des Themas
Idealerweise hat das Thema eine gewisse Aktualität oder der Standpunkt liefert neue Argumente/Facetten. Wenn mit dem Anliegen Emotionen geweckt werden können, stehen die Chancen nicht schlecht, den Abgeordneten für sich zu gewinnen, denn dieser wiederum gewinnt die garantierte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit – ein Pluspunkt für beide Seiten. Das Anliegen sollte steigerungsfähig sein. Ähnlich dem Theater kann auf diese Weise eine Spannungskurve aufgebaut werden, was dazu führt, dass die Bedeutsamkeit des Themas steigt.

5. Realismus
Die typischen Problemfelder und Streitigkeiten der Politik zu kennen hilft, das eigene Anliegen in ein politisches Problem zu übersetzen. Denn nur dann besteht die Chance auf einen Platz auf der politischen Tagesordnung. Dabei spielt auch die Lösbarkeit eine wichtige Rolle. Dieser größere Rahmen ist unerlässlich für den Erfolg einer Ansprache.

6. Aus Politischem Persönliches machen
Das Ziel einer Ansprache ist es, dass sich der Abgeordnete mit der Sache identifizieren kann. Durch die Exklusivität des Themas (niemand zuvor hat sich des Themas angenommen), die Nähe zum Fachbereich (Zuständigkeit), den Bezug des Mandatsträgers selbst (gesellschaftliches Engagement) sowie den Bezug zu relevanten Parteitagsbeschlüssen ist es möglich, den Abgeordneten als Paten für das eigene Anliegen zu gewinnen.
von Deniz Üster und Christian H. Schuster, ADVERB

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Steht auf, wenn ihr Lobbyisten seid!

Das Image der Interessenvertreter in Verbänden ist eine Katastrophe. Interessenvertreter leiden unter Vereinfachungen auf Stammtischniveau und übertriebenen Vorurteilen. In der Öffentlichkeit, der in zunehmendem Maße, aber zu Unrecht nachgesagt wird, sie sei politikverdrossen, hat sich im Laufe der Jahre ein Bild im Kopf festgesetzt, dass die Realität polemischer nicht umschreiben kann: Die allmächtigen Verbände diktieren Politikern die Gesetze, sagen, wo es langgeht, und bestimmen zudem auch die Berichterstattung in den Medien.

Dem ist ganz und gar nicht so: Denn es sind gerade die Medien, die bedauerlicherweise ein negatives Bild von Interessenvertretern in die Öffentlichkeit tragen, ohne Wert darauf zu legen, eine ausgeglichene Berichterstattung zu gewährleisten. Anstatt, unter Berücksichtigung von negativen und positiven Aspekten, ein vorurteilsfreies Bild zu zeichnen, wird Interessenvertretung von den Medien auf diese Weise zu einem fast diabolischen Gegenspieler der Demokratie erhöht.

06.09.2017 / Ausgabe #71

Lobbying

In jeder Ausgabe der Verbandsstrategie setzen wir mit Best-Practice-Beispielen, Expertenbeiträgen und Interviews einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt. Sie interessieren sich für das Thema? Dann schauen Sie doch gleich bei den anderen Artikeln dieser Ausgabe vorbei.

Die gleichen Medien sind es auch, die der Öffentlichkeit bescheinigen, das Interesse an Politik zu verlieren. Die Begründung fällt ihnen leicht: Sie begründen das eine mit dem anderen. Schuld trägt also der politisch aktive Verband. Manche Journalisten – wie die taz-Chefredakteurin Ines Pohl – fordern gar zum Schutz der Demokratie nicht weniger als das Ende des Lobbyismus. Spätestens diese maßlose Forderung müsste das deutsche Vereins- und Verbandsleben bis ins Mark erschüttern. Denn jeder dritte Deutsche lässt seine Interessen kostenpflichtig in Brüssel, Bund, Ländern und Kommunen vertreten. Allein Automobilclubs, Gewerkschaften und Berufsverbände kommen auf über 30 Millionen Mitglieder.

Die Deutschen wollen, dass ihre Positionen, ihre Anliegen und ihre Interessen Gehör finden. Aber wie kommt es dann zu diesem Gefälle? Warum ist das Bild vom Lobbyismus und seinen Vertretern in der Öffentlichkeit in eine derartige Schieflage geraten? Die Antwort ist ernüchternd: Es sind nicht nur die Medien, die ihre Sichtweise in die Öffentlichkeit tragen. Es sind vor allem die Interessenvertreter, denen der Stolz fehlt, für das, was sie jeden Tag leisten, auch in der Öffentlichkeit einzustehen. Dabei haben gerade die Interessenvertreter genug Gründe, stolz zu sein.

Verbände vertreten Menschen!
Das Ziel eines jeden politischen Wettstreiters ist die Meinungsführerschaft. Der Weg dorthin gelingt durch den Zusammenschluss mit vielen. Durch das gemeinsame bürgerschaftliche Engagement wurden in Deutschland einzigartige Projekte realisiert und durchgesetzt. Lobbyismus ist nichts anderes, als die Interessen einer Organisation zu vertreten und durchzusetzen zu versuchen. Interessenvertreter haben den Auftrag, Menschen zu vertreten. Sie sollen die individuellen Sorgen, Nöte und Handlungsnotwendigkeiten ins politische Berlin tragen. Hierzu suchen sie den persönlichen Kontakt in einem diskreten Umfeld. Denn Glaubwürdigkeit setzt Professionalität, Vertrauen und Diskretion voraus. Und genau deshalb, weil dieser Kontakt persönlich ist, findet die Arbeit nicht in den Schlagzeilen der Zeitungen statt.

Verbände verschaffen Gehör!
Es gibt zahlreiche Menschen und Organisationen, die nicht mit dem politischen Apparat vertraut sind. Sofern überhaupt bekannt, ist die Geschäftsordnung des Bundestages für Otto Normalbürger ein Buch mit sieben Siegeln.

Deswegen verschaffen Interessenvertreter auch diesen Individualinteressen durch ihren Auftrag Gehör. Denn auch Organisationen, die sich keine Lobbyabteilung leisten können, wie kleine Unternehmen, Berufs- oder Sozialverbände, brauchen den gleichen Zugang ins Parlament wie Großkonzerne. Interessenvertreter am Regierungssitz helfen ihnen dabei.

Verbände vermitteln Fachwissen!
Referenten und politische Entscheider wollen nicht im Elfenbeinturm leben. Sie wollen wissen, welche Folgen ihr Handeln haben wird. Deswegen hören sie bei der Erstellung von Gesetzen unterschiedliche Experten, Interessenvertreter und Betroffene an. Denn nur sie verfügen über ein enormes Praxiswissen, Erfahrungen und Fakten, um auf mögliche Risiken und Gefahren von Gesetzesvorhaben hinzuweisen. Politiker brauchen Lobbyisten.

Verbände sind die Speerspitze des Pluralismus!
Interessenvertreter lieben es zu streiten, leidenschaftlich zu diskutieren, um dann im Wettstreit der Meinungen die besten Argumente zu platzieren. Demokratie lebt vom Meinungsaustausch, und Meinungsaustausch lebt von Personen, die diese Meinungen vertreten. Sie dienen dem Ausgleich im politischen System, organisieren Mehrheiten und schaffen Kompromisse. Staaten, die sich dem Pluralismus verschließen, gibt es auch heute noch zur Genüge. Und wie jeder weiß, hat auch Deutschland seine eigene Erfahrung mit eingeschränkter Meinungsfreiheit. Demokraten stehen also in der Verantwortung, den Meinungsaustausch so weit zu fördern, wie es geht. Lobbyisten sind ein Garant dafür.

Verbände bilden die fünfte Gewalt!
Politisch aktive Organisationen kontrollieren sich im harten Wettbewerb um die Meinungsführerschaft gegenseitig. Genau das hat den Lobbyismus zur fünften Gewalt in Deutschland gemacht. Denn neben den drei staatlichen Gewalten – Exekutive, Legislative, Judikative – und der medialen vierten Gewalt hat sich die öffentliche Meinung in Form von Interessenvertretern als sachliches und mahnendes Korrektiv etabliert. Und sie ist genügsam, sie muss sich nicht auf den Titelseiten wiederfinden – ihr reicht die diskrete, erfolgreiche Einflussnahme. Verbände sind nicht nur Teil unseres politischen Systems, sie sind das Rückgrat unserer Demokratie. Ohne Interessenvertreter wären die Einflussmöglichkeiten auf die Politik zwischen den Wahlen nicht nur eingeschränkt, sondern schlichtweg nicht mehr vorhanden. Der Lobbyismus aus Verbänden verdient eine Aufwertung in Deutschland: Also, Brust raus! Und Kopf hoch, ihr Lobbyisten da draußen!
von Christian H. Schuster, ADVERB

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe 09/2017, S. 6-9.

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