INTERVIEW

Was ist die Merkel eigentlich für ein Mensch?

von Christian Arns (Leiter der Deutschen Presseakademie)

(c)istockphoto.com/A-DigitStellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einem Kollegen von einem anderen Verband im Restaurant. Plötzlich kommen jede Menge Sicherheitsbeamte herein, Sie werden aufmerksam. Was mag da los sein? Dann folgen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck. Und was machen die beiden? Sie setzen sich genau an Ihren Nachbartisch.

Na? Sind Sie jetzt neugierig, was da gesprochen wird? Natürlich sind Sie das! Sie wollen wissen, worum es geht. Vielleicht können Sie ja hören, worüber die beiden reden. Fast noch spannender ist aber: Wie gehen die beiden miteinander um? Wirkt das freundschaftlich oder eher distanziert? Kichern die beiden etwa zwischendurch oder bleiben sie förmlich? Was gäben wir darum, hier einmal Mäuschen zu spielen!

Im Grunde genommen leben Interviews genau von dieser Neugierde. Denn Leserinnen und Leser, Zuschauerinnen und Zuschauer, sie alle erfahren erstens, was inhaltlich gesagt wird; zweitens erleben sie mit, wie der Befragte reagiert. Um mal ein ganz klein bisschen zu übertreiben: Das gut geführte Interview ist die Mischung aus einem Fachbuch und einem spritzigen Dialog im Spielfilm.

Für Sie als Kommunikationsverantwortliche bei Verbänden ist das der riesengroße Vorteil am Interview: Es macht Fachliches menschlich. Das können Sie nun wirklich gebrauchen. Seien wir ehrlich: Ihre Themen sind vielfach abstrakt und etwas sperrig, der Medienakteur „Verband“ ist auch nicht grad der Prickel-Pit. Ihre Mitglieder haben es da besser: Sie produzieren oder reparieren oder tun sonst irgendwas, das sich darstellen ließe. Aber Sie? Bürohengste halt. Da ist das Interview eine wirklich gute Möglichkeit, den Akteur zum Menschen zu machen, die Position zur Meinung.

Zweiter Vorteil am Interview: Es wird gern gelesen, gehört, gesehen. Während man sich durch manchen politischen Bericht und manches wirtschaftliche Erklärstück doch eher durchkämpft, ist das Interview lebendig. Das Hin und Her von Frage und Antwort, von neugieriger Nachfrage und erneutem Versuch, sie so gut wie möglich zu beantworten, dieses Pingpongspiel unterhält das Publikum. Es ist kein Zufall, dass der Begriff „Unterhaltung“ für beides steht: für das Gespräch zwischen zwei Menschen und für die Zerstreuung, die man sich gönnt. Ein unterhaltsames Gespräch stimmt das Publikum positiv und aufnahmebereit für die Botschaften, die Sie rüberbringen wollen.

Wenn ein Interview gut läuft, können Sie ein Publikum über eine längere Zeit an sich und Ihre Themen binden. Sie können sachliche Informationen und eine persönliche Sichtweise übermitteln, also ein plastisches Bild. Das Ganze bekommen auch noch relativ viele Menschen mit. Etwas Besseres kann Ihnen also kaum passieren. Das alles klappt aber nur, wenn das Gespräch auch wirklich hin und her geht, wenn beide Seiten interessiert sind, aufeinander eingehen, klug agieren und auch mal spontan reagieren. Tun die beiden das nicht, wird das Interview stinklangweilig. Das liest keiner. Bestenfalls. Im schlechteren Fall liest es jemand und findet den, der so hölzern und unpersönlich daherschulmeistert, furchtbar unsympathisch. Warum sollten Sie das tun?

Unser Tipp: Geben Sie ein Interview nur dann, wenn Sie ein Mindestmaß an Lust verspüren, ein echtes Gespräch zu führen. Wenn Ihnen Gegenfragen lästig sind, wenn Sie die Dinge nicht erklären und sich dabei schon gar nicht von vorformulierten Floskeln lösen wollen – dann lassen Sie es.

(c)istockphoto.com/A-DigitWas wollen Sie eigentlich rüberbringen?
Gehen wir also davon aus, dass Sie Freude am Gespräch mitbringen und ein richtig schönes Interview führen. Dann wird es Ihnen gelingen, die Botschaften Ihres Verbandes überzeugend und möglicherweise auch so rüberzubringen, dass sich manche Menschen später noch daran erinnern.

Um das zu schaffen, müssen Sie im Vorfeld eine Aufgabe erledigen, die erschütternd banal ist. Niemand bräuchte sie aufzuschreiben, wenn sie nicht so oft ignoriert würde: Sie müssen sich selbst klar darüber werden, wie Ihre Botschaft eigentlich lautet. Immer wieder beweisen gnadenlos vergeigte Interviews, dass sich die Befragten vor dem Gespräch keinerlei Gedanken darüber gemacht haben, was sie eigentlich vermitteln wollen.
Wahllos aneinandergereihte Details, ein wildes Gemisch aus Fakten und Bewertungen, das Ganze ohne jede Struktur – wer nicht weiß, was er sagen will, irrlichtert. Stellen Sie sich also bitte deutlich die Frage, was Sie in den Köpfen Ihres Publikums verankern wollen. Legen Sie Ihre persönliche Botschaft fest.

Die klar formulierte Botschaft gehört zur unbedingt erforderlichen Vorbereitung. Der vermutlich größte Fehler: Sie verzichten auf eine Vorbereitung, weil Sie überzeugt sind, sich ja schließlich bestens mit dem Thema auszukennen. Darum geht es aber überhaupt nicht! Sie gehen doch nicht zu einer Prüfung. Sie werden nicht abgefragt. Sie sollen keinen Fragebogen ausfüllen, sondern wollen sich unterhalten. Das geht weit über die Sachkenntnis hinaus.

Geschichten sind unterhaltsam, Fakten sind es nicht. Also erzählen Sie bitte Geschichten. Sie können es auch „Storytelling“ nennen, wenn es sich dann professioneller anfühlt. Sie sollten mindestens ein sehr plastisches Beispiel parat haben, anhand dessen Sie Ihre Botschaft erläutern können. Erwecken Sie die Dinge zum Leben. Lassen Sie Ihr Publikum miterleben, dass es um die echte Welt da draußen geht. Auch Fachfremde müssen sich vorstellen können, was passiert und worum es Ihnen geht.

Zudem sollten Sie mindestens eine persönliche Geschichte in petto haben, die Sie erzählen können. In einem Gespräch menschelt es nun einmal. Das erwartet das Publikum. Sie sollten es nicht enttäuschen. Haben Sie jüngst etwas erlebt, das Sie bewegt? Etwas, das Sie wütend macht oder fröhlich stimmt? Etwas, das beweist, dass Sie ein echter Mensch sind: fachlich kompetent sowieso, dazu sympathisch.

Unser Tipp: Schreiben Sie sich Ihre Botschaft als vollständigen Satz auf einen Zettel. Es dürfen auch zwei Sätze werden, nur vollständig müssen sie sein. Bloß keine Stichwörter! Dann fehlen nämlich die Verben – und die sind das einzig Lebendige an der Sache. Überlegen Sie sich zudem mindestens ein plastisches Beispiel, das Ihre Botschaft transportiert, und eine persönliche Geschichte. Wenn Sie klar und ausformuliert vor Augen haben, was die Menschen von diesem Gespräch auf jeden Fall mitnehmen sollen, dann werden Sie es auch rüberbringen.

Gute Recherche zum Medium und zur Redaktion
Wir halten fest: Sie kennen sich mit dem Thema aus, um das es gehen soll. Sie haben eine klar definierte Botschaft und Bilder, die diese transportieren. Zudem sind Sie in Plauderlaune und bereit, auch etwas von Ihrer Persönlichkeit preiszugeben.

Die nächsten Schritte sind beinharte Recherche: Denn ehe Sie einem Medium ein Interview geben, sollten Sie wissen, auf was genau und mit wem Sie sich einlassen. Hinweise dazu liefern wir hier in aller Kürze – zugegeben: zu kurz. Es sind nur Anregungen. Nicht ohne Grund bringt die Deutsche Presseakademie gerade ein ganzes Buch allein zu diesem Thema heraus. Hier ein paar der wichtigsten Fragen, die Sie beantworten sollten, um sich richtig vorzubereiten:

Wird das Ganze im Fernsehen gesendet? Dann müssen Sie sehr von Ihren Inhalten überzeugt sein. Sobald Sie sich nicht ganz sicher sind, verrät Sie Ihre Körpersprache. Damit flimmern Sie unglaubwürdig über die Bildschirme. Mehr dazu etwas später beim Thema Körpersprache.

(c)istockphoto.com/dee-jayFragt eine Hörfunk-Redaktion? Dann sind plastische Geschichten noch wichtiger, mit denen Sie Bilder in den Köpfen der Hörerinnen und Hörer erzeugen können. Andere Bilder kann das Radio nun einmal nicht erzeugen. Zudem sollten Sie keinen Verbandsvertreter schicken, der langsam redet und lange Redepausen macht. Für den schreibenden Kollegen ist das egal, im Fernsehen sieht man wenigstens noch, dass jemand nachdenkt. Im Radio passiert einfach nur nix.

Wird das Gespräch live oder zumindest ungeschnitten ausgestrahlt oder wird das gar kein Interview? Wenn Sie lediglich Versatzstücke für einen Bericht liefern sollen, sogenannte O-Töne, dann sollten Sie auf gar keinen Fall über dies und das plaudern. Bleiben Sie eng an Ihrer festgelegten Botschaft und an den passenden Beispielen. Damit haben Sie wenigstens eine kleine Chance, dass etwas ausgewählt wird, das auch Sie für bedeutsam halten.

Soll das Gespräch gedruckt werden? In diesem Fall wird der Journalist das Interview straffen, vermutlich auch schönen. Das ist meist zum beiderseitigen Vorteil, aber Sie sollten klar vereinbaren, dass Sie auf dieses neu entstandene Produkt noch einmal draufschauen und überprüfen können, ob Sie sich darin noch wiederfinden. Bitte treffen Sie klare Absprachen zur sogenannten Autorisierung – auch zu den zeitlichen Abläufen. Übertreiben Sie es aber bitte nicht. Die Autorisierung ist dazu da, dass Sie die journalistisch verknappte Zusammenfassung daraufhin kontrollieren können, ob sie dem Gesagten und Gemeinten entspricht.

Sie ist ganz sicher nicht dazu da, dass ein verbal inkontinentes Plappermaul im Nachhinein überlegt, was es besser nicht gesagt hätte. Der Volksmund hatte schon immer die Regel „Erst denken, dann reden“ parat. Ändern Sie das bitte nicht in „Erst reden, dann denken, dann zensieren“. Denn nichts anderes ist es, wenn Sie im Nachhinein entscheiden, was Sie nicht hätten sagen wollen.

Um an dieser Stelle gleich auch mit einer erschreckend weit verbreiteten Fehleinschätzung aufzuräumen: Das schriftlich geführte Interview ist keine gute Lösung! Erstens ist es langweilig, da der Fragende logischerweise nie auf die vorherige Antwort eingeht. Zweitens ist es hölzern, weil die Antworten in präzisem Fach- und Schriftdeutsch gegeben werden. Drittens belügen Sie Ihre Zielgruppen, denn Sie suggerieren, es habe ein Gespräch stattgefunden, bei dem ein Journalist auch mal nachfragen und auf den Zahn fühlen kann. Sie belügen sich übrigens auch selbst: Wenn der verharmlosend als Kalt-Interview bezeichnete Text im Pressespiegel landet, dann glaubt man plötzlich selbst, die Leserinnen und Leser hätten das Ding gelesen und die – endlich mal in ihrer technischen und juristischen Exaktheit vorgetragenen – Botschaften des Verbandes verinnerlicht. Haben sie aber nicht. Sie haben längst aufgehört zu lesen, weil das Ding so trocken war.

Zu Ihrer Recherche könnte zudem gehören: Was für eine Redaktion ist das? Bringen die eher Erklär- oder Krawallstücke? Wissen Sie etwas über die Fragetechnik des Journalisten? Ist die Verbreitung eher lokal, sodass praktische Beispiele vor Ort sinnvoll sind? Wie fachkundig ist das Publikum dieses Mediums? Ist es eher fachlich vorgebildet oder Max Mustermann von nebenan?

Unser Tipp: Sehen oder hören Sie sich mindestens ein Interview an, das genau an der Stelle gedruckt oder ausgestrahlt wurde, für die Ihr Gespräch vorgesehen ist. Prüfen Sie kritisch, was Sie da gelungen fanden und was Ihnen missfallen hat. Ziehen Sie sehr praktische Konsequenzen.

(c)istockphoto.com/A-DigitOptimieren Sie Sprachregelungen, bis sie Ihnen passen
Sie kennen aus Ihrem Alltag das Gefühl, dass Ihr Gegenüber lügt. Es geht nicht um das Wissen, dass der andere etwas Falsches sagt, sondern um das pure Bauchgefühl, dass Sie dem Redner nicht über den Weg trauen. Meistens liegt es daran, dass ihn seine Körpersprache verrät, seine Mimik und seine Gestik. Klar sollte wohl sein: So wollen Sie nicht wirken.

Nun wird die Wirkung, wie jemand rüberkommt, aber ganz zentral von den nicht inhaltlichen Aspekten der Kommunikation geprägt, also von Stimme, Mimik und Gestik. Wenn Sie sich Ihrer Sache nicht so ganz sicher sind, werden das also sehr viele Menschen spüren. Dagegen helfen auch keine Trainings, da müssten Sie schon eine komplette Schauspielausbildung auf sich nehmen. Darum geht es auch überhaupt nicht. Im Gegenteil: Sie sollen sagen, wovon Sie überzeugt sind. Manchmal sind es Kleinigkeiten an einer Sprachregelung, derentwegen Sie sich unwohl fühlen. Noch einmal: Das gesprochene Wort prägt zwar nur zu einem geringen Teil die Wahrnehmung des Publikums. Aber für Sie entscheidet selbstverständlich das gesprochene Wort, wie Ihre Körpersprache ausfällt.

Unser Tipp: Feilen Sie so lange an Ihren Botschaften, die Sie rüberbringen wollen, vielleicht sogar an einzelnen Formulierungen, bis Sie mit ihnen zufrieden sind. Sie müssen Ihnen passen. Dann nämlich brauchen Sie sich um Ihre Körpersprache kaum noch Gedanken zu machen – mit einem Mal wird sie unterstützen, was Sie sagen. Es ist wahrlich keine große Weisheit, aber sie hat ihre Berechtigung: Wer überzeugt ist, kann überzeugen.

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe 06/2014, S. 4.

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