MITGLIEDERKOMMUNIKATION

Mitgliederbefragungen erfolgreich umsetzen

von Hans Hirsch und Christian H. Schuster

Mitgliederbefragungen erfolgreich umsetzen
Verbände stehen im ständigen Wettbewerb um die Gunst ihrer Mitglieder. Dabei müssen sie nicht nur die richtigen Akzente nach außen setzen, sondern auch service- und dienstleistungsorientiert nach innen arbeiten. Doch wie kann ein Verband auf die Interessen und Bedürfnisse einer hohen Mitgliederzahl gleichermaßen eingehen?

Zur Legitimation der eigenen Arbeit sollte eine stetige Rückkopplung zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern bestehen. Dabei ist es essenziell, wie Sie den Interessen Ihrer Mitglieder begegnen und diese in der eigenen Arbeit realisieren. Die effiziente Umsetzung hängt jedoch maßgeblich vom Wissen über die Bedürfnisse der Mitglieder ab. Diese sind aber keinesfalls statische Gebilde, sie können sich permanent aufgrund von politischen, wirtschaftlichen oder persönlichen Faktoren ändern. Bleiben solche Veränderungen unentdeckt, kann die Mitgliederzufriedenheit rapide absinken, Mitglieder zum Austritt bewegen oder sogar zu Gegnern des Verbandes werden lassen. Um solche oder andere Gefahren frühzeitig zu erkennen, bietet sich regelmäßige Mitgliederbefragung an.

Für und Wider
Mit einer Befragung kann das Wissen über die Mitglieder und deren Erwartungen verbreitert und für die Verbandsarbeit nutzbar gemacht werden. Durch die Rücksprache wird die eigene Arbeit legitimiert und weniger angreifbar gemacht. Mit der Fokussierung auf die für Mitglieder wichtigen Aufgaben kann die Verbandsarbeit effizienter und kostengünstiger gestaltet werden.

Ein weiterer positiver Effekt ist der mögliche Perspektivenwechsel. Nach Jahren im Verband kann sich eine gewisse Betriebsblindheit einstellen, die mit einer Mitgliederbefragung aufgebrochen werden kann. Die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung sowie unterschiedlichen Sichtweisen von Haupt- und Ehrenamt auf ein Thema sind mögliche Felder, die mit einer Befragung aufgedeckt werden können.

Doch genauso gut kann eine Mitgliederbefragung auch zu Unmut führen. Wurde bei der Konzeption ungenau gearbeitet, können beispielsweise keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Ungenaue oder suggestive Fragen produzieren mehrdeutige Ergebnisse, die eher Verunsicherung als Klarheit schaffen. Die so entstandene Verzerrung von Ergebnissen schmälert die Aussagekraft der Befragung und macht sie weniger praktisch nutzbar.

Abgesehen von solchen methodischen Problemen kann eine Befragung natürlich auch dekonstruktive oder negative Ausprägungen haben. Die Aussagen oder die Kritik der Mitglieder sind immer als Chance zu begreifen, die Verbandsarbeit weiter zu optimieren und die Arbeit in Zukunft besser den Mitgliederwünschen anzupassen.

Vor dem StartMitgliederbefragung
Wenn ein Verband sich dazu entschieden hat, eine Mitgliederbefragung durchzuführen, sollte bei der Planungsphase bereits kalkuliert werden ,welche personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Geschäftsstelle zur Verfügung stehen beziehungsweise extern eingekauft werden.

Da die verschiedenen Erhebungsmethoden unterschiedlich aufwendig in Durchführung und Auswertung sind, hängen der Umfang und die Analyse maßgeblich vom vorgegeben Budget und dem personellen Einsatz ab. Sind diese Eckpfeiler geklärt, sollte die Zuständigkeit für das Projekt geregelt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass der oder die zuständigen Mitarbeiter bereits Erfahrung mit der Konzeption und Durchführung von Befragungen haben. So sind statistische Kenntnisse wie z. B. die Durchführung von Korrelationen, die Bildung von Mittelwerten und die Bereinigung von Daten genauso notwendig wie das richtige Transkribieren von Interviews und deren spätere Analyse. Falls diese Kompetenzen im Verband nicht oder nur teilweise vorliegen, sollte externe Hilfe in Anspruch genommen werden, um das Projekt Mitgliederbefragung zum Erfolg zu führen.

Richtige MethodenBelohnung Teilnahme
Bei der Durchführung von Befragungen gibt es zwei mögliche Ansätze, die sich signifikant unterscheiden und jeweils gemäß der Zielbestimmung gewählt werden müssen. Auf der einen Seite stehen qualitative Befragungen mit einer kleinen Zahl an Befragten. Diese Befragungsart ist charakterisiert durch offene Fragen (wie z. B.: „In welchen Bereichen sollte der Verband in Zukunft noch stärker in Aktion treten?“) und wird meist im Interviewformat geführt. Der Ablauf der Befragung ist dabei nur teilstrukturiert oder gar unstrukturiert. Das Ergebnis ist eine Sammlung von Text- beziehungsweise Tonmaterial, das im Anschluss detailliert und umfassend analysiert und ausgewertet wird.

Die Detailtiefe ist bei dieser Befragungsart sehr hoch, aber auch ihr Aufwand bei der Durchführung ist enorm und erfordert viel Konzentration und Erfahrung. Deswegen können zwar vergleichsweise weniger Mitglieder befragt werden, aber auch komplett neue Erkenntnisse gewonnen werden. So bieten sich qualitative Umfragen eher bei der Erfassung von inhaltlichen Positionen zu einem bestimmten Thema an. Gerade in Umbruchzeiten sind solche Fragen besonders wichtig, denn die Mitglieder sollten bei der inhaltlichen Positionierung des Verbandes involviert werden.

So hat die Befragung einerseits einen integrativen Charakter, andererseits sendet sie auch ein Signal an die Mitglieder, dass ihre Meinung im Verband ernst genommen und gehört wird. Eine gute Grundlage für eine langfristige Zufriedenheit und Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite stehen quantitative Befragungen mit einer möglichst großen Anzahl von Befragten. Die Forschungsart zeichnet sich meist durch einen Fragebogen, der verschiedene Möglichkeiten zum Ankreuzen bietet, aus. Mittels standardisierter Erhebungsmethoden und statistischer Verfahren können die Ausprägungen von verschiedenen Variablen gemessen werden.

Der Aufwand bei der Durchführung ist zwar geringer als bei qualitativen Umfragen, es müssen jedoch statistische Verfahren beherrscht werden und es können inhaltliche Positionen weniger genau beleuchtet werden. Aus diesem Grund bieten sich quantitative Umfragen eher bei der Einholung von Feedback und dem Erfassen von Marktdaten an, da mit dieser Umfragemethode eine breitere Masse einfacher erreicht werden kann. Ziel ist es hier, vorhandenes Wissen zu überprüfen oder weiterzuentwickeln.

Unser Tipp: Um die Aussagekraft der Befragung zu gewährleisten, sollte jedoch bei beiden Befragungsarten eine in ihrer Zusammensetzung möglichst breite Gruppe an Verbandsmitgliedern teilnehmen. So sollten in jedem Fall Stimmen von aktiven und inaktiven, alteingesessenen und neuen Mitgliedern vorhanden sein, um ein möglichst genaues Abbild zu erhalten. Überlegen Sie deshalb früh, wie Sie die Gruppen erreichen und befragen können. Befragen sollten Sie nach Möglichkeit alle Mitglieder (siehe Kasten), das erspart Ihnen spätere Rechtfertigungen bei der Stichprobenauswahl und macht allen Mitgliedern die Relevanz deutlich.

Der optimale KanalVerschiedene Fragemethoden
Die verschiedenen Fragetypen lassen sich auch auf verschiedenen Wegen an die Mitglieder übermitteln. So stehen die telefonische, die schriftliche und die Onlinebefragung zur Wahl. Bei der Auswahl sollte jedoch darauf geachtet werden, dass der Kanal sowohl zu den gestellten Fragen als auch zu den Befragten passt. Eine telefonische Befragung sollte durchgeführt werden, wenn der Fragebogen hauptsächlich aus offenen Fragen besteht und der Kontakt zwischen Verband und Mitgliedern häufig auf diesem Weg stattfindet. Im persönlichen Gespräch können so Einstellungen zu einem Thema oder einer Position des Verbandes erfragt werden. Mittels dieser Methode kann ein sehr genaues Stimmungsbild erstellt werden, aber sie gehört auch zu den aufwendigsten und ist deshalb eher im kleineren Rahmen anwendbar. Bei einer schriftlichen Befragung erhalten die Mitglieder den Fragebogen häufig per Post, den sie anschließend ausgefüllt wieder an den Verband zurücksenden. Der Fragebogen kann beispielsweise der Mitgliederzeitschrift beigelegt werden oder einer anderen regelmäßigen Postsendung. Auch wenn dies kostenschonend sein mag, führt es jedoch häufig dazu, dass der Bogen übersehen wird.

Eine weitere Option ist, eine Onlinebefragung mithilfe einer dafür eingerichteten Internetseite durchzuführen. Dabei wird die Einladung per E-Mail an die Mitglieder ausgesandt, was eine schnelle und kostengünstige Verbreitung garantiert. Außerdem werden die Antworten direkt gespeichert und übermittelt, dadurch wird die Befragung vereinfacht und beschleunigt. Problematisch ist jedoch, dass die betreffende Nachricht in der E-Mail-Flut untergehen kann, und die Methode setzt eine gewisse Online-Affinität der Mitglieder voraus.

Aufgrund der schnellen und einfachen Verbreitung sowie des hohen Grades der Anonymisierung bieten sich Onlinebefragungen besonders bei Branchen- und Feedbackumfragen an oder wenn eine große Gruppe befragt werden muss. Die Anonymisierung ermöglicht es außerdem, nach heikleren Themen zu fragen, die die Mitglieder häufig freier und ehrlicher beantworten können.

Unser Tipp: Es kann jedoch bei allen drei Kanälen passieren, dass die Rücklaufquote niedrig ausfällt. Um die Befragung aber dennoch nutzbar zu machen, sollte in diesem Fall nochmal bei den Mitgliedern auf einem anderen Kanal nachgefasst werden, um sie zur Teilnahme zu motivieren. Doch auch im Vorfeld kann der Verband etwas tun. So kann die Teilnahme an ein Gewinnspiel gekoppelt und ein Kongressticket, oder eine vergünstigte Mitgliedschaft verlost werden. In jedem Fall aber, sollte den Mitgliedern die Bedeutung der Befragung für sie und den Verband klargemacht werden.

Professionelle AuswertungProfessionelle Auswertung
Wurde die Befragung durchgeführt und alle Antworten sind eingesammelt, geht es an die Auswertung der erhobenen Daten. Hier unterscheidet sich eine Mitgliederbefragung kaum von einer Branchenbefragung, jedoch werden die Ergebnisse auf komplett unterschiedliche Weise weiterverwendet. Während eine Mitgliederbefragung einen sehr starken internen Fokus hat und hauptsächlich für die eigene Arbeit relevant ist, liegt der Fokus bei einer Branchenbefragung eher in der externen Kommunikation mit Politikern und Journalisten.

Studien werden häufig genutzt, um aktuelle Themen mit Zahlen zu versehen oder sie dienen gar als Aufhänger für einen ganzen Artikel. Macht sich ein Verband diese medialen Wirkmechanismen zunutze, kann er seine Studie und sich selbst geschickt in den Medien platzieren. Die erhöhte Aufmerksamkeit kann dazu dienen, die eigene Bedeutung bei branchenrelevanten Themen zu stärken und die Mitsprache gegenüber Politik und Gesellschaft zu erhöhen.

Kommunikationsverantwortliche in Verbänden sollten deshalb eine Befragung möglichst breit unter Medienvertretern publik machen und früh darauf achten, dass Fragen entsprechend formuliert und Ergebnisse später so aufbereitet werden, dass sie in den Medien gerne, gut und leicht aufgegriffen werden können. Aus diesem Grund sollten Branchenbefragungen in enger Abstimmung und Begleitung der zuständigen Pressestelle durchgeführt werden. Bei Mitgliederbefragungen bietet sich eher ein diskreter Umgang mit den erhobenen Daten an. Zwar könnte ein gutes Ergebnis bei einer Zufriedenheitsumfrage für das eigene Marketing genutzt werden, jedoch würde eine Revision des Ergebnisses in einer folgenden Umfrage ein schlechtes Bild auf die Verbandsarbeit werfen.

Daher sollten die Ergebnisse aus Mitgliederbefragungen nur intern kommuniziert und extern eher zurückhaltend veröffentlicht werden. Negative Ergebnisse sollten als Anlass genommen werden, neue Projekte und Inhalte im Verband zu realisieren. So können beispielsweise andere Veranstaltungsformate, neue Inhalte wie regelmäßige Publikationen oder das Bespielen von weiteren Informationskanälen dafür sorgen, Mitglieder wieder aktiver in das Verbandsgeschehen zu integrieren. Außerdem bietet es sich an, die Arbeit mit einer weiteren Umfrage, beispielsweise nach einem Jahr, zu evaluieren, um Austritten vorzubeugen.

Doch auch wenn ein Verband durchweg Lob von seinen Mitgliedern erhält, sollten die Verantwortlichen die eigene Arbeit stets kritisch hinterfragen und im ständigen Austausch mit den Mitgliedern stehen, um bestmöglich auf deren Bedürfnisse eingehen zu können. Deshalb ist es wichtig, sich nicht auf dem guten Ergebnis einer Befragung auszuruhen.

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe 05/2016, S. 5.

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