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Nur Online macht Mitgliederwerbung komplett

von Oliver Kunze und Christian H. Schuster

Individualität ist TrumpfLängst ist das Internet das ultimative Nachschlagewerk geworden. Egal ob wir wissen wollen, wie der Lieblingsfußballverein des Verbandspräsidenten gespielt hat, wie der neue parlamentarische Staatssekretär heißt oder in welches Hotel der nächste Urlaub gehen soll – nichts geht ohne die Onlinerecherche. Und potenzielle Mitglieder nutzen das Internet, um zu entscheiden, ob und wo sie Mitglied werden wollen. Aber welche Stolpersteine gilt es zu beachten, um sich nicht zu verzetteln? Welche Ansätze in der Mitgliederwerbung haben sich bewährt? Was können wir von anderen Akteuren lernen?

Im täglichen Verbandsalltag wird die Mitgliederwerbung stiefmütterlich behandelt. Diesen Eindruck bekommt, wer sich auf den Internetseiten und Facebookprofilen von Verbänden umschaut: Verweise auf Mitgliedervorteile finden sich selten oder sie sind in seitenlangen Texten versteckt. Mitgliedsbeiträge und Verbandsleistungen sind in unübersichtlichen, downloadbaren Satzungen zu finden und das Beitrittsformular ist nur als nicht ausfüllbare Datei verfügbar. Und wer sich die Mühe macht, in der Geschäftsstelle anzurufen, wird auf die Website verwiesen oder bekommt eine Mustermail mit 20-MB-Anhängen. Professionelle Mitgliederwerbung im Onlinezeitalter geht anders.

HändlerbundAnsprache individualisieren
Inhalte, die verdeutlichen sollen, dass sich eine Mitgliedschaft lohnt, müssen im Internet leicht auffindbar und auf die jeweiligen unterschiedlichen Mitglieder zugeschnitten sein. Darum stellen erfolgreiche Berufsverbände für Berufseinsteiger andere Gründe in der Vordergrund, als wenn sie erfahrene Fachkräfte oder alte Hasen von der Mitgliedschaft überzeugen wollen. Professionelle Unternehmensverbände machen es ähnlich: So werden für Fördermitglieder die Vorteile anders aufbereitet als für normale Vollmitglieder. Infografiken, Internetseiten oder Onlinekalkulatoren bieten Möglichkeiten, für die jeweilige Zielgruppe die richtigen Argumente perfekt darzustellen.

Tipp: Zeigen Sie, was Sie wem bieten! Gute Inspirationen bietet der Händlerbund. Der Verband hat für Mitglieder drei Leistungspakete geschnürt. Je nachdem, ob sich das Unternehmen für das unterschiedlich teure Basis-, Premium- oder Unlimited-Paket entscheidet, kann es Verbandsleistungen – wie die Rechtsberatung – in anderem Umfang nutzen.

Potenzielles MitgliedMehrwerte bündeln
Die Vorteile der Verbandsmitgliedschaft sollten an einem zentralen Ort gebündelt vorliegen. Kommunikationsverantwortliche – aber auch andere hauptamtliche Mitarbeiter – haben so die Möglichkeit, schnell darauf zuzugreifen und sie weiterzuleiten. Dabei sind ausschweifende Texte und Übersichten kontraproduktiv.

Tipp: Erstellen Sie ein Dokument! Die zehn wichtigen Mitgliedervorteile stellt die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland in einem PDF-Dokument ins Netz. Darin werden neben Vergünstigungen auf Produkte auch Serviceleistungen des Verbandes präsentiert. Weitere Gründe, Zitate und auch das Beitrittsformular sind so in einer kleinen Datei schnell per E-Mail an Interessierte weiterleitbar.

Realitätscheck unterziehen
Der Klassiker, der nahezu in allen Verbänden zu den Top 10 der Mitgliedervorteile gehört, ist der Satz: „Wir sind Ihre Stimme in Berlin“ – ein wirklicher Vorteil ist das aber nicht! Denn dass ein starker und kampagnenorientierter Verband mit Bundestagsabgeordneten, Ausschüssen und politischen Stakeholdern kommuniziert, interagiert und im stetigen Austausch steht, stellt in den seltensten Fällen ein wirkliches Argument für eine Mitgliedschaft dar. Lobbying ist per se ist kein Mehrwert. Vielmehr setzt das Mitglied solche Leistungen stillschweigend voraus, da die politische Einflussnahme zu den Kernanliegen einer jeden Organisation gehört.

Tipp: Fragen Sie Mitglieder! Selbst Kommunikationsverantwortliche werden betriebsblind. Deswegen hilft es, wenn Sie zwei, drei „frische“ und „altgediente“ Mitglieder fragen, ob sie einen Blick auf die Gründe-Sammlung werfen. Das hilft, die Liste zu komplettieren und zu priorisieren.

Vergünstigung
Vergünstigungen bieten
Tagungen, Kongresse und Seminare sind für viele Organisationen eine attraktive Einnahmequelle. Falls sie nicht vom Verband (oder der eigenen GmbH) angeboten werden, lassen sich häufig attraktive Kooperationen schließen. Wenn Sie als Partner auftreten und Mitglieder auf die Angebote hinweisen, nützt dies den Organisatoren. Durch attraktive, ermäßigte Teilnahmegebühren gewinnen Sie Neumitglieder.

Tipp: Schmieden Sie attraktive Angebote. Der Bundesverband Deutscher Pressesprecher bietet seinen Mitgliedern beim Kommunikationskongress einen um 400 EUR ermäßigten Teilnahmebetrag an. Den Jahresmitgliedsbeitrag von 155 EUR haben Sprecher somit leicht wieder drin.

EinblickeEinblicke ermöglichen
Während viele Wirtschaftsverbände mit materiellen Mehrwerten überzeugen können, müssen Wohlfahrtsverbände auf weiche Faktoren setzen. Aus der Not lässt sich eine Tugend machen und die eigene Arbeit durch Artikel, Reportagen und Geschichten belegen. So werden durch Einzelschicksale, die die Ideale und Werte des Verbandes transportieren, emotional ansprechend „Mehrwerte“. Gleichzeitig kann dadurch das Ehrenamt gelobt, die konkrete Leistung anschaulich belegt und die Suchmaschinenoptimierung unterstützt werden.

Tipp: Geben Sie Einblicke! Ehren- und hauptamtliche Helfer lässt der Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes in regelmäßigen Abständen in seinem Onlineblog (blog.drk.de) von ihrer Arbeit berichten. Die persönlichen Geschichten aus dem Einsatzalltag geben Einblicke und wecken Interesse. Verlinkungen leiten zu den Hintergründen der Projekte und zu Ansprechpartnern für Rückfragen.

PersönlichNähe schaffen
Zu einer umfassenden Mitgliederbetreuung gehören persönliche Kontakte und erreichbare Ansprechpartner. Wichtig hierfür sind von außen erkennbare klare Zuständigkeiten und gut strukturierte Anlaufstellen. Deswegen müssen die Namen und Kontaktdaten von Ansprechpartnern (vor Ort und in der Geschäftsstelle) schnell und prominent auf allen Onlineangeboten (vom Newsletter bis zur Internetseite) zu finden sein. So werden kurze Wege und schnelle Abstimmungen zwischen Verband und Mitglied garantiert.

Tipp: Zeigen Sie Gesicht(er)! Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft hat die zentrale Ansprechpartnerin im Netz abgebildet. Sie kümmert sich um die Aufnahme und Erfassung der Mitgliederdaten bis zum Beitragswesen. Auch die Ansprechpartner der Regionalverbände lassen sich hier abrufen.

PersönlichMitglieder zeigen
Statt auf Fotodatenbanken und Textwüsten zu setzen, nutzen erfolgreiche Verbände lieber echte Mitglieder. Das ist glaubwürdiger und schafft auch in der Mitgliedschaft ein Wir-Gefühl. Interessierte können sich zudem besser mit Menschen als mit abstrakten Begriffen identifizieren, weil sie von ihren persönlichen Erfahrungen berichten. Zudem entsteht unbewusst eine Magnetwirkung, wenn sich bereits andere Mitglieder mit dem gleichen Interessenfeld in dem Verband oder der Organisation engagieren.

Tipp: Werden Sie persönlich! ver.di lässt unter der Überschrift „Wir sind ver.di“ u. a. Krankenpfleger, Werkstattleiter und Berufskraftfahrer zu Wort kommen. Sie geben dem Verband ein Gesicht und nennen in Videos und kurzen Statements sehr vielfältige Gründe.

LandingpageLandingpage schaffen
Statt Mitgliedervorteile, Beitrittsformular und Testimonials irgendwo auf der Internetseite des Verbandes zu verstecken, setzen erfolgreiche Verbände auf monothematische Landingpages. Dort sind alle Informationen an einer Stelle übersichtlich, prägnant und grafisch ansprechend aufbereitet. Idealerweise ist sie responsiv (für Mobilgeräte) gestaltet, um auf Smartphones und Mobilgeräten optimal darstellbar zu sein. RSS-Feeds mit Artikeln aus der Verbandsarbeit können die Seite zudem pflegeleicht und aktuell halten.

Tipp: Sammeln Sie alles an einem Ort! Der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure bündelt auf der Seite www.12000profis.de sehr anschaulich sieben Beitrittsgründe und zahlreiche Mitgliederstatements. Die untereinander angeordneten Mitgliedervorteile werden auf jedem beliebigen Mobilgerät vollständig angezeigt. Verlinkungen auf die Verbandsseite ermöglichen, das Mitgliedsantrag direkt online auszufüllen.

Effizient arbeitenEffizient arbeiten
Verbandsstrategen, die zu Beginn an unterschiedliche
Onlineplattformen denken, arbeiten effizienter. Dazu müssen beispielsweise Bildgrößen/-verhältnisse bedacht werden: So lassen sich Testimonial-Zitate für die Landingpage sowohl im Newsletter und auf der Verbandsinternetseite als auch in den Social-Media-Kanälen (wie Facebook/Twitter) einsetzen. Als feste Rubrik im monatlichen Newsletter sammeln sich über das Jahr so viele Bilder/Textschnipsel an, dass sie sogar als Lückenfüller im Geschäftsbericht münden können.

Tipp: Schlagen Sie mehrere Fliegen mit einer Klappe! Beim Verein Deutscher Ingenieure werden Blog-Beiträge stets mit Bildern veröffentlicht, die auch direkt in sozialen Medien oder bei WhatsApp verbreitet werden können.

Impulsgeber und Wegbereiter
Wie so oft im Leben gibt es nicht die Zauberformel für die perfekte Online-Mitgliederwerbung. Es ist vielmehr eine Mischung aus vielen einzelnen Puzzleteilen, die zueinanderpassen müssen: Das Mitglied entscheidet sich für das beste Angebot aus materiellen und immateriellen Mehrwerten. Verbandsstrategen können letztlich nur gute Impulsgeber und professionelle Wegbereiter für eine hoffentlich lang andauernde Mitgliedschaft sein. Denn auch wir sind nur Teile eines sehr großen Puzzles.

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe 08/2016, S. 5.
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