TITELTHEMA

Krisenprävention: Quick-Check für Ihren Verband

von René Scharr-Hochegger

Krise: ein nachhaltiger, negativer Einfluss auf die Reputation. Spätestens nach dieser Kurzbeschreibung von Krise wird deutlich, dass jeder Verband den möglichen GAU gern abwenden möchte. Ob Automobil, Gesundheit, Soziales oder Klimaschutz – die Vergangenheit hat gezeigt: Keine Branche, kein Verband ist vor einer Krise gefeit. Jeder kann jederzeit von einer Krise überrascht werden. Wenn Haupt- und Ehrenamt darauf vorbereitet sind, lässt sich der mögliche Schaden jedoch in Grenzen halten.

Krisenkommunikation beginnt also im besten Fall bereits vor einer Krise. Kommunikationsverantwortliche in Verbänden sollten deshalb präpariert sein für den Ernstfall. So ist der Verband zum entscheidenden Zeitpunkt kommunikations- und handlungsfähig.

Punkt 1 | Risiken identifizieren

Zu einer umfassenden Bestandsaufnahme gehört eine Risikoanalyse. Denn werden Themen frühzeitig identifiziert, können mögliche Überraschungen vermieden werden. Relevante Fragen sind dabei unter anderem: Welche Dienstleistungen und Produkte bieten die Mitgliedsunternehmen an und welche könnten krisenanfällig sein? Bei der Analyse versetzen sich Kommunikationsprofis in die Perspektive von anderen Akteuren wie Medien und Politik hinein. Sind mögliche Risikothemen identifiziert, sollten Hintergrundinformationen, Daten, Fakten und Muster für Pressemitteilungen und Sprechzettel vorbereitet werden. Hierzu gehört auch eine Website – die sogenannte Darksite –, auf der die wichtigsten Informationen sowie die Ansprechpartner des Verbands stehen. Sie wird erst im Krisenfall final befüllt und online geschaltet. Diese gründliche Aufbereitung von Informationen spart in der Krise wertvolle Zeit und Nerven, die anderweitig eingesetzt werden können.

29.04.2019 / Ausgabe #79

Krisenkommunikation – Krisen erkennen & vorbeugen

In jeder Ausgabe der Verbandsstrategie setzen wir mit Best-Practice-Beispielen, Expertenbeiträgen und Interviews einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt. Sie interessieren sich für das Thema? Dann schauen Sie doch gleich bei den anderen Artikeln dieser Ausgabe vorbei.

Punkt 2 | Netzwerk pflegen und fördern

Bei der Wahrnehmung von Krisenthemen sind häufig nicht die Fakten, sondern die öffentliche Meinung über die Fakten entscheidend. Deshalb gilt nicht nur in Krisenzeiten: Ein guter Draht zu Journalisten und Meinungsbildnern ist für Verbände unabdingbar. Durch ein etabliertes und gelebtes Netzwerk mit lokalen, regionalen und überregionalen Medien kann die Wahrnehmung der Krise in der Öffentlichkeit bereits frühzeitig positiv beeinflusst werden. Das bestehende Netzwerk sollte deshalb durch eine kontinuierliche, aktive Pressearbeit gepflegt und gefördert werden. Dabei halten PR-Verantwortliche auch wertvolle Verteiler aktuell, auf die sie im Fall einer Krise schnell zurückgreifen können.

Punkt 3 | Stakeholderanalyse

Um sich auf den Ernstfall vorzubereiten, ist eine Bestandsaufnahme des Verbands und seines Umfelds unerlässlich. Wer sind die relevanten Stakeholder (zum Beispiel aus Politik und Medien) für den Verband? Welche Akteure stehen in Konkurrenz zu dem Verband? Welche Kanäle benutzen die relevanten Akteure? Welche Bedürfnisse, Erwartungen und Ängste könnten sie im Fall einer Krise haben? Wie könnten sich die Akteure im Fall einer Krise positionieren? Erst wenn hierüber Klarheit herrscht, kann die Kommunikation zu einem späteren Zeitpunkt sehr schnell und effizient erfolgen. Verbandsmitglieder wollen beispielsweise in der Regel möglichst früh und umfassend informiert werden und die Informationen nicht erst aus zweiter Hand erfahren

Punkt 4 | Prozesse definieren

Damit der Verband auch im Notfall handlungsfähig ist, müssen vorab die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten geklärt sein. Dazu gehört auch ein Krisenstab, der im Ernstfall nicht erst auf Vorstandsbeschlüsse warten muss. Dieser besteht aus Vertretern der unterschiedlichen Bereiche einer Organisation. In einem Verband werden die Stabsmitglieder üblicherweise aus der Geschäftsführung, der Presse-, der Rechts- sowie der betroffenen Fachabteilung entsandt. Mit der diversen Zusammensetzung wird ein möglichst gebündelter Sachverstand sichergestellt. Der Krisenstab unterstützt den Leiter, der im Idealfall Führungsverantwortung und Stressresistenz besitzen sollte, in der Lagebeurteilung sowie bei der Vorbereitung von Entscheidungsvorlagen und der Koordination von operativen und kommunikativen Maßnahmen. Die Mitglieder des Krisenstabs sowie die jeweiligen Kompetenzen werden in einem allgemein zugänglichen und immer wieder aktualisierten Krisenhandbuch festgehalten. In der Blattsammlung sollten auch folgende Fragen beantwortet werden: An wen werden im Fall einer Krise Informationen weitergegeben? Gibt es einen festen Krisenraum oder Treffpunkt? Wie ist die Aufgabenverteilung in der Krise? Wer spricht im Krisenfall und beantwortet die Fragen von Betroffenen und Interessierten? Elementar ist außerdem eine aktuelle Telefonliste, auf der alle Handynummern der entscheidenden Verbandsvertreter zu finden sind. Das erleichtert die interne Mobilisierung und Abstimmung.

Punkt 5 | Ressourcen vorhalten

Um in der Krise handlungsfähig zu sein, müssen die Mitglieder des Krisenstabs jederzeit erreichbar und abrufbar sein und Vertretungen benannt haben. Letztere sollten unbedingt vorab definiert sein. Daneben sollten auch entsprechende materielle Ressourcen vorgehalten werden. Im Krisenfall müssen zum Beispiel geeignete Arbeitsräume zur Verfügung gestellt werden. Diese werden oft auch als „war room“ bezeichnet. Die Räume müssen gut erreichbar sein und über ausreichend technische Infrastruktur, wie Internet und Telefon zur Konferenzschaltung, verfügen. Die Nummern der Anschlüsse sollten öffentlich nicht bekannt sein. Im besten Fall ist die Zugangsmöglichkeit beschränkt und von außen nicht einsehbar. Sind die Räumlichkeiten in der Geschäftsstelle hierfür nicht geeignet, sollten alternativ Konferenzräume in nahe gelegenen Hotels ins Auge gefasst werden. Auch hier erspart eine frühe Recherche im Krisenfall wertvolle Zeit.

Punkt 6 | Ernstfall trainieren

Krise bedeutet: Stress. Doch der Umgang mit dieser Situation lässt sich trainieren. An einer solchen Simulation der Krisensituation sollten alle Mitglieder des Krisenstabs teilnehmen. Neben dem Verhaltenstraining in einer krisenhaften Umgebung gehört auch ein Medientraining für die Hauptverantwortlichen und Sprecher des Krisenstabs. Dieses intensive Training sollte einmal im Jahr aufgefrischt werden. Zudem sollten Personen am Empfang oder in der Telefonzentrale genauso wie die Zuständigen für Social Media im Rahmen eines Krisentrainings sensibilisiert und geschult werden. Dabei wird auch festgelegt, wie auf kritische Nachfragen und Anmerkungen zu reagieren ist und wer für deren Beantwortung zuständig ist.

Punkt 7 | Krisen rechtzeitig erkennen

Ein Verband, der all diese Punkte beachtet, hat seine wichtigsten Hausaufgaben zur Vorbereitung auf die Krise gemacht. Jetzt heißt es: beobachten. Zu einem frühen Zeitpunkt sind die Handlungsmöglichkeiten noch am vielfältigsten. Ist die öffentliche Debatte bereits im vollen Gange, ist es meist zu spät. Die anderen haben sich bereits ihre Meinung gebildet. Ein Frühwarnsystem zahlt sich also aus. Dazu gehört neben einem ständigen Presse-Monitoring auch ein Monitoring der Social-Media-Kanäle und anderer verbandsrelevanter Websites. Dabei ist die Feinjustierung essenziell. Nur so können Krisenherde frühzeitig identifiziert werden. Dabei ist im Rahmen des Reportings vor allem die qualitative Auswertung notwendig. Es sollten außerdem Kriterien festgelegt werden, die eine Richtschnur dafür geben, wann die Verantwortlichen informiert werden müssen. Geschieht das zum Beispiel, wenn ein Mitglied eines anderen Verbands mit einem ähnlichen Produkt in die Kritik gerät oder wenn Sie erfahren, dass ein Journalist sich bei einem Verbandsmitglied nach Fehlfunktion seiner Produkte erkundigt hat?

Aufwand, der sich lohnt

Der Nutzen und Vorteil der Vorbereitung auf eine Krise lässt sich monetär nur schwer beziffern. Deshalb stehen Kommunikationsverantwortliche oft vor der Herausforderung, den Aufwand vor der Geschäftsführung und dem Präsidium zu rechtfertigen. Entscheidungsträgern wird nicht selten erst nach dem überstandenen Sturm bewusst, was man noch „hätte machen können“. Wenn der Verband bereits Mitglieder und Reputation verloren hat, ist es meist zu spät.

René Scharr-Hochegger
ist Berater bei ADVERB und unterstützt u. a. den Deutschen Steuerberaterverband (DStV) sowie zahlreiche andere Branchen- und Berufsverbände aus ganz Deutschland.

Kontakt: 030 / 30 87 85 88 – 49 | ren@agentur-adverb.de

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe #79 2019, S. 6.

Zurück zur Ausgabe

Verbandsstratege

Mehr zum Thema

Kontakt

Wir rufen Sie gern zurück

Sie möchten Kontakt zu uns aufnehmen? Geben Sie hier einfach Ihre Telefonnummer und Ihren Namen ein und wir melden uns zeitnah bei Ihnen.