GASTBEITRAG

Frauen in Verbänden: Leistungsstark, aber leistungsgerecht vergütet?

Der sogenannte „Gender-Pay-Gap“, also der geschlechtsspezifische Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes zwischen Frauen und Männern, beschäftigt schon seit einigen Jahren die Öffentlichkeit. Empirische Studien belegen, dass es sich hierbei nicht nur um eine „gefühlte“ Ungleichbehandlung“ handelt, sondern dass Frauen im Schnitt branchenübergreifend tatsächlich schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen – dies gilt auch bei Ausübung vergleichbarer Tätigkeiten. Wie aber stellt sich die Situation in Verbandsorganisationen dar?

Gesetzliche Initiativen bislang ohne große Auswirkungen

Der Gesetzgeber hat auf die zunehmende Diskussion und Kritik an geschlechtsspezifischen Vergütungsunterschieden 2017 mit dem „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntgTranspG 2017) reagiert. Das Gesetz hat das eigentliche Ziel, durch eine erhöhte Vergütungstransparenz den Gender-Pay-Gap zu schließen. Arbeitnehmenden wird der Anspruch eingeräumt, die Höhe des durchschnittlichen Entgelts einer Gruppe vergleichbarer KollegInnen des jeweils anderen Geschlechts zu erfahren. Allerdings gibt es inhaltliche Hürden: So gilt das EntgTranspG nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten – tatsächlich angewendet werden darf der Gehaltsvergleich zudem ausschließlich, wenn mindestens sechs Mitarbeitende in einer Firma vergleichbare Tätigkeiten ausüben. So mag es nicht verwundern, dass nach einer Kienbaum-Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2019 lediglich 4 Prozent der insgesamt 2.085 befragten Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmenden die Anfragemöglichkeit zur Entlohnung vergleichbarer Tätigkeiten nutzen.

Frauen befinden sich zum Beispiel häufiger in schlechter bezahlten Berufen als Männer.

Auch auf den Gender-Pay-Gap hatte die Gesetzesinitiative bislang keinen nachweisbaren Einfluss. Beim Gender-Pay-Gap (dt. Entgeltlücke) unterscheidet man zwischen der unbereinigten und der bereinigten Entgeltlücke. Laut amtlicher Statistik erhielten weibliche Beschäftigte 2019 durchschnittlich 19 Prozent weniger Gehalt als männliche Beschäftigte. Hierbei wurde nicht zwischen Berufsgruppen, Hierarchiestufen oder Qualifikationen unterschieden; es handelt sich somit um die unbereinigte Entgeltlücke. Eine mögliche Erklärung für zumindest einen Teil des Lohnunterschiedes zwischen Männern und Frauen stellen strukturelle Bedingungen dar. So befinden sich Frauen zum Beispiel häufiger in schlechter bezahlten Berufen als Männer. Vergleicht man durchschnittliche Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen und Tätigkeiten, ergibt sich eine Entgeltlücke von ca. 6 Prozent in Deutschland. Hierbei handelt es sich um die sogenannte bereinigte Entgeltlücke, da erklärende Faktoren mit einbezogen wurden.

03.03.2021 / Ausgabe #95

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Gender-Pay-Gap auch in Verbänden

Wie aber ist die Situation in Verbandsorganisationen? Hier könnte man vermuten, dass der Gender-Pay-Gap geringer ausfällt, da Verbände mit ihren vielfältigen Aufgaben im sozialen Bereich, als Branchenrepräsentanten und Interessenvertreter im Hinblick auf ihre verstärkte Außenwirkung eine gewisse Vorbildfunktion haben. Kienbaum führt in Kooperation mit der DGVM regelmäßige Vergütungsstrukturuntersuchungen in Verbandsorganisationen durch, zuletzt in 2019. Dabei wurde auch die Fragestellung nach geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Vergütung untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigen zweierlei:

  • In Führungskräftefunktionen sind Frauen unterrepräsentiert – je höher die Funktion in der Verbandshierarchie angesiedelt ist, desto geringe fällt der Anteil von Frauen aus.
  • Hinsichtlich der Höhe der Vergütung besteht – speziell auf den Führungsebenen – ein zum Teil deutliches Gefälle zwischen den Geschlechtern.

Die reinen Bruttodurchschnittsvergütungen zeigen auf den ersten Blick einen durchaus großen Vergütungsunterschied zwischen Männern und Frauen. Über alle Ebenen hinweg beträgt der unbereinigte Gender-Pay-Gap rund 40 Prozent. Die nach der zertifizierten Kienbaum Analysemethode um objektive Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Hierarchiestufe und Ausbildung bereinigte Entgeltlücke beträgt noch 6,3 Prozent und liegt damit in etwa auf dem Niveau des Gender-Pay-Gap für alle Arbeitsverhältnisse in Deutschland.

In den einzelnen Hierarchiestufen zeigt sich folgendes Bild: Während auf Ebene der SachbearbeiterInnen und AssistentInnen ein bereinigter Gender-Pay-Gap von ca. 4 Prozent vorliegt, besteht bei den ReferentInnen und Spezialisten ein bereinigter Lohnunterschied von ca. 13 Prozent. Die LeiterInnen weisen einen Pay-Gap von ca. 8 Prozent auf. Die bereinigte Entgeltlücke bei den GeschäftsführerInnen liegt bei ca. 26 Prozent. Die vergleichsweise großen Unterschiede zwischen der Sachbearbeitungs-/ Assistenzebene einerseits und insbesondere der Geschäftsführungsebene andererseits erklären sich vor allem aus dem Umstand, dass die Gehälter mit GeschäftsführerInnen, anders als im tariflichen bzw. tarifnahen Bereich, in aller Regel frei ausgehandelt werden.

Verbandsorganisationen haben bei gendergerechter Vergütung Nachholbedarf.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass Verbandsorganisationen – wie auch weite Teile der Privatwirtschaft – bei einer gendergerechten Vergütung noch Nachholbedarf haben. Eine entsprechende Überprüfung und Anpassung der Vergütungsstrukturen sind nicht nur aus rechtlichen Gründen geboten, sondern wären für Verbände zudem ein starkes Argument speziell im Ringen um weibliche Nachwuchsführungs- und Fachkräfte am Arbeitsmarkt.

Carolin Katzera
Consultant in den Bereichen People Analytics
sowie Compensation & Performance Management

Tom Feldkamp
Manager im Bereich Compensation & Performance Management

Dr. Michael Kind
Department Head Data Management and Data Science

Jetzt PDF downloaden: Diesen Artikel finden Sie im Verbandsstrategen Ausgabe #95 2021, S. 19.

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